Faszination Fliegen.Eine Leidenschaft. Drei Geschichten.
Oberhof.Frühmorgens.
Eine
Lichtung mitten im Wald. Es ist neblig, man kann kaum sehen. Einzelne
Schneeflocken fallen vom Himmel herab. Eine weiß-graue Winterlandschaft.
Hier oben auf dem Hügel, mit Blick hangabwärts, sind die eisigen Temperaturen besonders
zu spüren. Die kalte Luft weht einem in das Gesicht und das Rauschen des Windes
durchbricht die Stille, die hier herrscht.
| erstensTim (21)Fliegt im Durchschnitt 15 Mal in der Woche.
Die Faszination.
Tim wollte eine Sportart richtig machen. Er hat sich für Skispringen entschieden. Draußen an der frischen Luft zu sein, das findet Tim besonders schön an seinem Sport. Bei einem richtig guten Sprung fühlt er sich frei und schwerelos. Bei seinem weitesten Sprung flog er 201 Meter. Dabei kam er dem Gefühl zu fliegen ziemlich nahe.
Wie alles anfing.
Den Traum vom Fliegen
–
am liebsten in winterlicher
Kulisse
– den hatte Tim schon früh. Dabei war er noch nie zuvor auf Skiern
gestanden. Mit 6 Jahren in Willingen angefangen, ging er ab der fünften Klasse auf ein Sportinternat in Oberhof. Um das zu ermöglichen, zog seine gesamte Familie mit ihm um.
Hier merkte Tim, dass das Springen mehr als nur
ein Hobby für ihn ist. Und das alles, weil ihn damals der Skispringer Sven Hannawald im
Fernsehen beeindruckte.
Tim Heute.
Falls es mit dem Springen irgendwann nicht mehr funktionieren
sollte, kann Tim zur Bundespolizei. Da ist er seit 2014 in der
Sportfördergruppe und macht von März bis Juli eine Ausbildung.
Die Wochenenden verbringt er oft bei Wettkämpfen in ganz Deutschland.
Die restliche Zeit
des Jahres trainiert er abwechselnd auf der Schanze und in der Sporthalle. Vor allem
seine Oberschenkel und Sprunggelenke sind dabei wichtig. Muskeln baut er nur dort
auf, wo es notwendig ist, denn Tim will so wenig wie möglich wiegen. Beim
Fliegen ist die Schwerkraft der Feind. 58 Kilo bringt er mit einer Größe von 1,73 Metern auf die
Waage.
Die Gedanken.
Bei der Landung passieren die häufigsten Fehler: Der Hang ist nicht immer eben – da geschehen schnell Stürze.
Flughafen Stuttgart.Spätabends.
Lichter blinken, Flugzeuge fahren über das Rollfeld, warten auf ihren Start. Weiter hinten befindet sich eine große Halle, in der sich mehrere Personen in gelben Warnwesten tummeln
– um sie herum zahlreiche Flieger. Am einen Ende der Halle ist das Klirren von Werkzeug zu hören, einzelne Schrauben fallen zu Boden. Ein lautes Geräusch unterbricht das geschäftige Treiben.
Das
Rauschen von Turbinen wird immer lauter. Menschen
in Warnwesten geben sich Zeichen, lotsen den neuen Privatjet auf seinen Platz.
Leiter, Werkzeugkasten, Kabel – die Arbeit ruft.
| zweitensSarah (25)Kann gar nicht mehr zählen, wie oft sie geflogen ist.
Die Faszination.
Jedes Mal, wenn ein neuer Flieger in die Halle
kommt, ist es immer wieder aufs Neue spannend für Sarah. An den Privatjets, die
am Stuttgarter Flughafen landen, kümmert sie sich um Reparaturen und Wartungen.
Zwischen Werkzeugkasten, Triebwerken und Motoren fühlt sie sich wohl.
Langweilig wird es nie, denn oftmals warten Aufgaben auf die 25-jährige, die
sie zuvor noch nie bearbeiten musste.
Schwerelos.
Das Gefühl von Schwerelosigkeit und Freiheit
–
das hat Sarah nur, wenn sie hoch oben über den Dächern der Stadt fliegt. Über
Einsätze außerhalb, zu denen sie mitfliegen kann, freut sie sich deshalb
besonders. Bei Kontrollflügen sitzt Sarah mit im Cockpit. Die Flüge und
Technik, das ist für Sarah das Faszinierende.
Obwohl ihre Familie ihr immer wieder vorschlägt, den Pilotenschein zu machen,
besitzt Sarah ihn bis heute nicht. Teuer sei er und die Möglichkeit, in einem
Flugzeug zu sitzen und die Natur von oben zu sehen, die habe sie ja auch so. In
der Luft vergisst Sarah den Alltag, ist in einer ganz anderen Welt.
Wie alles anfing.
An Flugzeugen rumbasteln – klingt nicht nach
einem typischen Frauenberuf. Durch ein Praktikum bei der Bundeswehr in der
achten Klasse entdeckte Sarah ihre Leidenschaft. Damals durfte sie an
Hubschraubern arbeiten und merkte schnell, dass sie Spaß daran hat. Nachdem sie
ihr Fachabitur mit dem Schwerpunkt Maschinenbau abgeschlossen hatte, entschied
sie sich für eine Ausbildung. Beim Würth-Privatflughafen in Schwäbisch Hall erlernte Sarah den Beruf der Fluggerätemechanikerin. Heute arbeitet sie am
Flughafen in Stuttgart.
Sarah Heute.
Die Träume.
Stuttgart Bad Cannstatt.Mitten in der Nacht.
Halb vier. Eine kleine Wiese direkt
neben dem Cannstatter Wasen. Hohe Bäume und ein Gitterzaun grenzen die Lichtung ein. Wo zu Zeiten des Frühlingsfestes blinkende Lichter zu sehen sind und
lautes Geschrei zu hören ist, herrscht jetzt vollkommene Stille. Es ist kalt,
der Boden ist mit Frost bedeckt. Unter den Füßen knistert das gefrorene Gras. Einzig
das Flutlicht erhellt den düsteren Platz, auf dem zwei Ballons bereit stehen.
Container, Körbe, Sandsäcke und ein
großes Fass mit Wasserstoff sind im Halbdunkeln zu erkennen. Als sich schließlich
wenige Leute auf den bevorstehenden Tag vorbereiten und die Vögel anfangen
zu zwitschern, ist das Rauschen von strömendem Gas zu hören.
| drittensBen (23)Verbringt bis zu elf Stunden am Tag in der Luft.
Die Faszination.
Abheben, hoch oben in der Luft schweben – aus Bens Leben ist das Ballonfahren nicht wegzudenken. Im Korb stehen, die Landschaft ohne eine Scheibe vor dem Gesicht in aller Ruhe zu genießen, das ist für ihn das Faszinierende.
Wie alles anfing.
Das Ballonfahren liegt Ben
in den Genen: Sein Großvater gründete die Ballonsportgruppe Stuttgart mit. Auch
Bens Vater fährt begeistert Ballon. Bei seiner allerersten Fahrt im Jugendlager
der Ballonfahrer konnte der 5-Jährige Ben nicht einmal über den Korbrand
schauen. Ihm wurde erzählt, dass die Bojen, die unter ihm im Rhein zu sehen
waren, in Wirklichkeit U-Boote wären.
Die erste Fahrt.
Ben Heute.
Ben
studiert Energiewirtschaft in Ulm. Für seine Leidenschaft Ballonfahren fährt er
trotzdem regelmäßig nach Stuttgart zur Ballonsportgruppe. Im Schnitt fährt Ben
jeden dritten Tag. Eine Fahrt kann bis zu 11 Stunden dauern. Deutschland hat er
bis zu den Alpen bereits weitgehend von der Luft aus erkundet. Bei seiner
zweihundertsten Fahrt hat er aufgehört zu zählen.
Erinnerungen.
Faszination Fliegen.Eine Multimediareportage von
Sheva Hosseini-Khorassani.
Fliegt am liebsten nach Irland.
Aline Spantig. Ist neulich über einen Weidenzaun geflogen.
Malin Zeuchner. Ist beflügelt, wenn sie shoppen geht.
Geraldine Nirschl.
Verteilt gerne Flyer.
Irina Steck. Schlägt am liebsten zwei Fliegen mit einer Klappe.
Vivian Kuhn. Schwebt im siebten Himmel.
Günther. Ist aus der Gruppe geflogen.
Mit Dank an unsere Überflieger
Tim Heinrich | Sarah Friedrich | Ben Munz