Füße am Boden – Kopf im HimmelDas Auf und Ab einer jungen Nonne.
Ein Blick hinter die Klostermauern von Heiligenbronn, wo Schwester Johanna Orientierung findet, aber Freiheit aufgibt.
Mit 23 ins Kloster
Sie sagt «Scheiße», chattet auf Facebook und liebt McDonald's. Ungewöhnlich für eine Nonne, aber charakteristisch für Schwester Johanna.
Die 33-Jährige hat sich für ein Leben im Kloster entschieden, unter strengen Regeln und in absolutem Gehorsam. Seit zehn Jahren verzichtet sie auf Unabhängigkeit, Geld und Sex.
Das alles für eine Beziehung mit Gott – die sie manchmal auch zweifeln lässt.
«Als Eule unter Lerchen leben ist echt schwer. Morgens sind alle am Wuseln und ich denke so: Nee, jetzt noch nicht.»
Einmal närrisch, immer närrisch
«Klosterfasnet»
Mit ihrer Begeisterung hat Schwester Johanna die anderen Nonnen angesteckt. Der Rosenmontag wird zum Kontrastprogramm im Klosteralltag.
«Wenn du bis 70 jung sein willst, musst du einfach ins Kloster gehen.»
Die Gemeinschaft
«Nee, nee ich hatte keine wilde Jugend, ich war eher ein Mauerblümchen.»
«Die Rike»
Schwester Johannas Mädchenname ist Ulrike Konrad.
Zu Hause ist sie für alle nur «die Rike» – bis heute.
Der Glaube spielte bei den Konrads schon immer
eine wichtige Rolle. Sobald Rike still sitzen konnte, durfte sie mit in den Gottesdienst. Neugierig hing sie am Ärmel ihrer Mutter, beeindruckt von den tiefen Orgeltönen und dem Weihrauchduft.
Ihr Platz im Himmel
«Wieso soll ich nicht in den Himmel kommen?»
Diese Frage lässt Ulrike nicht mehr los. Sie will Antworten.
Mit einer Freundin aus der Gemeinde entschließt sie sich für «Ora et labora», eine kurze Auszeit im Kloster. Vor Ort fühlt sich die 23-Jährige wohl. So sehr, dass sie an den Wochenenden heimlich weiter ins Kloster Heiligenbronn fährt. Sie spürt mit jedem Mal stärker, dass hier ihr Platz sein könnte.
An einem kühlen Märzabend nimmt sie bei einem Glas Wein ihren Mut zusammen. «Ich ziehe aus», sagt sie zu ihren Eltern, «ich geh' ins
Kloster».
Stille.
Dann geht es los: Sie könne doch nicht und ob sie
wahnsinnig sei. Sie solle doch noch ein paar Jahre warten. Ulrike bleibt ruhig. Sie spürt, es ist die
richtige Entscheidung. Fünf Monate später lässt Ulrike alles hinter sich. Auch ihren Mädchennamen. Sie
ist jetzt Schwester Johanna.
Das war vor zehn Jahren. Seitdem war es nicht immer einfach im Kloster. Schwester
Johanna kämpfte mit persönlichen Krisen. Aber auch mit ganz alltäglichen
Dingen wie Facebook.
«Tiervideos auf Facebook, das hat was Fatales. Schaust du eins, klickst du auf zehn weitere.»
Die Nonne im Netz
239. So viele Freunde hat «SrJohanna Konrad» auf Facebook.
Jeden Tag schaut sie rein. Chattet mit Freunden, anderen Nonnen und dem Pfarrer. Ab und zu spielt sie «Klondike» – virtuelles Ernten und
Tiere füttern, als Ausgleich zu den täglichen Pflichten.
«Manchmal frage ich mich schon, ob ich das hier alles schaffe.»
Ihre Zweifel
«Beim Schwimmen trage ich ganz normale Badekleidung, kein Gummischleier, kein Neoprenanzug.»
Im Urlaub
«McDonald's hat mir auf Reisen oft das Leben gerettet. Pommes und Cola gehen immer.»
Einmal Pommes, bitte
Reisen können für Johanna manchmal zur kulinarischen Herausforderung werden. Sie hat eine Laktose- und Fructoseintoleranz. Pommes und Cola sind aber sicheres Terrain.
Das gibt's bei ihr allerdings nur selten. Geld für Urlaub und Handy kann sie beim Kloster beantragen, ihr monatliches Taschengeld als Nonne ist überschaubar.
Ihre Willenskraft
«Trotzdem wünsch' ich mir manchmal jemanden zum Kuscheln.»
Unendliche Liebe
«Er müsste nicht unbedingt schön sein. Er müsste Ausstrahlung haben, das macht’s attraktiv.» Schwester Johanna weiß genau, wie ihr Traummann aussehen sollte.
Vor dem Kloster hatte sie einen festen Freund. Doch Rikes Gedanken waren woanders.
Bei Gott.
Nun gibt sie sich seiner ewigen Liebe hin. Den Professring trägt sie als Zeichen ihrer Treue.
Ihr Zuhause
In Ewigkeit
Sie hat sich entschieden.
Vor zweieinhalb Jahren legte Schwester Johanna ihre
Ewige Profess ab. Sie bleibt im Kloster.
Für immer.
Suche nach sich selbst
Gott dienen – ist das wirklich ihr Lebensglück oder nur eine selbst auferlegte Pflicht? Johanna geht ihren Weg weiter, zwischen Grenzen und Freiheit.