Hinter den KulissenDrei Berufe am Theater
Hohe mit Stuck verzierte Decken, pompöse Kronleuchter, Menschen in schicker Abendgarderobe und eine perfekte Inszenierung. Am Stuttgarter Staatstheater kommen Theater-, Oper- und Ballettfreunde voll auf ihre Kosten. Hinter dem großen Vorhang sorgen Menschen wie Hutmacherin Eike Schnatmann, Schneiderin Katja Böhmerle und Ankleiderin Susanne Klein fernab vom großen Publikum für einen reibungslosen Ablauf. Bühne frei für die Helden hinter den Kulissen.
Modisterei
Gut behütet: In der Hutmacherei am Stuttgarter Staatstheater näht Eike Schnatmann Kopfbedeckungen für jeden Anlass. Die Modisterei beschäftigt fünf Hutmacherinnen in Teilzeit. "Insgesamt haben wir 2,7 Stellen", erklärt Schnatmann. Genug zu tun gibt es für jede der Modistinnen, denn Hüte werden am Theater immer gebraucht.
Eike Schnatmann
Ein kleiner Raum, darin eine lange Werkbank. Regale mit Stoffen, darauf Kartons bis unter die Decke gestapelt, beschriftet mit „Tristan und Isolde“ oder „Schwanensee“. Dazwischen sitzt Eike Schnatmann, ein Maßband um den Hals gehängt, in der Hand Nadel und Faden. Die Modisterei ist ihr Reich. Schnatmann ist Hutmacherin am Staatstheater in Stuttgart. Die 48-Jährige näht Hüte und andere Kopfbedeckungen für die verschiedensten Inszenierungen des Drei-Sparten-Theaters. Ob für die Oper, das Ballett oder für’s Schauspiel, Schnatmann und ihre Kolleginnen fertigen das passende Stück für jeden Kopf an. Der Grund für die doch außergewöhnliche Berufswahl war ein ganz simpler: „Ich wollte etwas mit den Händen kreieren und modellieren“, erinnert sich Schnatmann: „Die Ausbildung zum Modisten ist eine klassische, dreijährige Handwerkslehre.“ An ihren allerersten Hut erinnert sich Schnatmann mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Den musste sie anfertigen, um ihren Ausbildungsplatz zu bekommen. Nach ihrer Lehre machte sich Schnatmann mit einem eigenen Hutgeschäft selbstständig. Seit zehn Jahren ist sie am Stuttgarter Staatstheater. Der Kontakt zu den Schauspielern ist der 48-Jährigen wichtig. „Die Arbeit am Menschen macht mir Spaß", sagt Schnatmann, „sonst wäre ich heute nicht mehr dabei.“ Jede Kopfbedeckung, die sie anfertigt, erfüllt die Hutmacherin mit Stolz. Als Modistin gehe man ganz anders durch die Welt: „Ich schaue mir jede Polizeikappe ganz genau an“, lacht Schnatmann.
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Damenschneiderei
Pompöse Kleider aus Tüll und Seide: Bei Katja Böhmerle in der Damenschneiderei werden Mädchenträume wahr. Bis zu 20 Schneiderinnen arbeiten zu Hochzeiten in der Abteilung, darunter auch viele Teilzeitkräfte. Genug zu tun gibt es für jede von ihnen: "Während der Ballett-Festwochen werden viele Kleider und Kostüme gebraucht", sagt Böhmerle.
Katja Böhmerle
In einer kleinen Schneiderei in der Stuttgarter Mittelstraße fing vor 26 Jahren alles an: Katja Böhmerle begann ihre Ausbildung zur Damenschneiderin. Heute ist die 43-Jährige Gewandmeisterassistentin am Stuttgarter Staatstheater. Böhmerle ist die Schnittstelle zwischen dem Gewandmeister - dem Leiter der Schneiderei - und den Schneiderinnen in der Werkstatt. Sie stellt sicher, dass die Wünsche des Kostümbildners über den Gewandmeister zu den Schneiderinnen gelangen. Trotz ihrer inzwischen mehr organisatorischen Tätigkeit am Theater erinnert sich Böhmerle gerne an ihre Zeit als Schneiderin zurück. Am liebsten schneidert sie Ballettkostüme: „Ich liebe das Ballett und sehe es mir auch gerne an.“ Böhmerle näht für ihr Leben gern, am liebsten mit Organza, einem Seidenstoff. Die 43-Jährige deutet auf eines der vielen Kleider, die in der Damenschneiderei am Stuttgarter Staatstheater an Stangen von der Decke hängen, ihre Augen leuchten: „Mit Organza bin ich hier großgeworden.“ Die Liebe zu dem Stoff erklärt sie mit der Liebe zu einem ganz besonderen Ballett: dem Onegin von John Cranko. Am Stuttgarter Staatstheater ist sie seit 14 Jahren, nachdem ihre Chefin an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz in Rente ging. Böhmerle möchte nirgendwo anderes mehr arbeiten: „Ich bin sehr glücklich hier.“
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Garderobe
Haken auf Haken im fliegenden Wechsel: Ankleiderin Susanne Klein hat auch bei schnellen Umzügen die Ruhe weg. Klein und eine Kollegin sind für das Damenballett zuständig, insgesamt sind die Ankleider zu acht. „Die komplette Kostümabteilung des Staatstheaters ist mit die Größte in Deutschland", sagt Klein.
Susanne Klein
Wenn es während eines Auftritts am Stuttgarter Staatstheater
stressig zugeht, versucht Susanne Klein, Ruhe auszustrahlen. Die 51-Jährige
arbeitet hinter den Kulissen als Ankleiderin für das Damenballett. Zusammen mit
ihren Kollegen sorgt sie für einen fliegenden Wechsel von Kostüm zu Kostüm.
„Übung macht den Meister“, erklärt Klein lächelnd. Einer Tänzerin ein Tütü
anziehen? – „Das schaffe ich in unter einer Minute.“ Kleins Pläne sahen
eigentlich ganz anders aus: „Ich wollte nach meiner Schneiderlehre Modedesign
in Trier studieren und habe eine Mappe eingereicht, aber meine Zeichnungen
waren wahrscheinlich einfach zu schlecht“, erinnert sich die Ankleiderin. Klein
sammelte sechs Wartesemester und überbrückte die Zeit mit einem Praktikum am
Stuttgarter Staatstheater. Aus einem kurzen Zwischenstopp sollte der Job fürs
Leben werden. „Mich hat einfach das Theaterfieber gepackt“, erinnert sich die
51-Jährige mit leuchtenden Augen. „Entweder es nimmt dich, oder es nimmt dich
nicht“, sagt sie lachend. Klein durfte damals mit dem Stuttgarter Ballett für
Gastspiele nach Japan und Südamerika reisen: "Ich bin bereits mit Mitte 20
viel gereist, das war nichts Selbstverständliches.“ Zur Modeschule nach Trier
zog es Klein nicht mehr, sie hat ihren Platz am Stuttgarter Theater gefunden.
Die Arbeit mit den Kollegen schätzt sie sehr: „Die Tänzer am Theater sind
Hochleistungssportler.“ Da muss bei einem schnellen Kostümwechsel alles reibungslos
klappen. Wichtigstes Utensil für einen Tänzer sind seine Spitzenschuhe, um die
die Tänzer sich selbst kümmern.
Welche Eigenschaften braucht man als Ankleiderin?
"Was machen Sie eigentlich tagsüber?"
Liebe zum Detail
"Bei uns trägt der Teufel Lava"
In Demis Volpis Handlungsballett Krabat beginnt der gleichnamige Waisenjunge eine Lehre bei einem Müllermeister. Bald stellt sich heraus, dass in der Mühle nicht nur das Müllerhandwerk gelehrt wird. Krabat gerät in eine Welt der dunklen Mächte. Ein Darsteller, der geheimnisvolle und böse Gevatter, trägt sogenannte Kothurnen - schwindelerregend hohe, schwarze Schuhe und dazu ein flammendes, rotes Kostüm.