Feuerwerk – des Teufels Werk?
Wenn bunte Funken die Nacht erhellen, blicken Menschen fasziniert
in den Himmel. Professionelles Feuerwerk begeistert, doch die Farbenpracht erschreckt
Vögel und vertreibt sie aus ihren Nestern – zwei Welten, die
unvereinbar scheinen.
Eine hitzige Debatte
Um Silvester entfacht jedes Jahr die Diskussion um private
Böllerei: Verpestete Luft und verdreckte Straßen sorgen für Unmut in der
Bevölkerung.
Nachdem sich die Rauchschwaden der Silvesternacht gelegt haben, lassen
Pyrotechniker auch unter dem Jahr den Himmel brennen
–
zum Leidwesen der Vögel. Diese werden in der Debatte oft vernachlässigt.
Zwei Männer, zwei Leidenschaften
Tony Zeccola40 Jahre, Pyrotechniker
Tony ist seit 2001 Pyrotechniker. Schon als Kind war
er von Feuer fasziniert. Mit 21 Jahren machte er sein Hobby zum Beruf. Heute ist
Tony selbstständig. Im Jahr veranstaltet er zwischen 40 und 100 Feuerwerke und
begeistert Hunderte von Menschen mit dem farbenfrohen Funkenspiel.
Stefan Bosch56 Jahre, Vogelexperte
Mit Leidenschaft erforscht Stefan Bosch Vögel. Mit kleinen
Kameras in den Nistkästen, die rund um sein Haus angebracht sind, kann er die
Tiere beobachten: wie sie sich in die Nester kuscheln oder bei Lärm
zusammenzucken. Beim Naturschutzbund NABU ist er der Experte für Vögel.
Wie beobachtet er die Vögel?
Vor dem Funkenregen
Ein
Funke reicht nicht aus, wenn Tony ein Feuerwerk zünden möchte.
Wird er für eine Veranstaltung gebucht, muss er einige Vorbereitungen treffen: Tony
muss seine Arbeit rechtzeitig beim Amt anmelden. Am Ort des Geschehens achtet
Tony auf die Sicherheitsabstände zu brennbaren Objekten im Umkreis und zum
Publikum. Sind die Abstände in Ordnung, sperrt Tony das Gelände ab. Dann
beginnt der Aufbau: Der Pyrotechniker befüllt lange schwarze Kunststoffrohre –
sogenannte Mörser – mit dem explosiven Material. Um das Feuerwerk von Weitem
auszulösen, baut er eine Fernzündanlage auf.
Während der Funkenregen auf die Erde rieselt, ist Tonys Blick immer auf die
Mörser gerichtet. Um jederzeit einschreiten zu können, falls etwas
schiefläuft.
Der große Knall
Bei genauerer Betrachtung von professionellem Höhenfeuerwerk vor Abschuss könnte der
ein oder andere enttäuscht sein.
Miniaturraketen mit Plastikhut gibt es hier
nicht. Stattdessen stehen auf mehreren Quadratmetern verteilt Mörser.
Die
Feuerwerksrohre bestehen aus Pappe, Kunststoff oder Metall und haben einen geschlossenen
Boden. Die Feuerwerkskörper darin werden mittels der Ausstoßladung in die Luft
geschossen.
Doch wie
unterschiedlich die Lichteffekte auch sein mögen, der Aufbau bleibt beim
Feuerwerksrohr generell gleich.
Die vielfältigen Farben entstehen durch flammenfärbende Zusätze, wie zum Beispiel Kupfer für grüne Effekte.
Möchte man Formen wie Kugeln oder Schmetterlinge am Himmelszelt erzeugen, verwendet man eine Kombination aus Papp- oder Plastikhalbschalen, die sich in mehreren Lagen mit Leuchtsubstanzen abwechseln.
Sobald der Effektkörper das Rohr verlassen hat, wird die Überzündung aktiviert. Jetzt kann der Verzögerungssatz in Gang gesetzt werden.
Poesie des Augenblicks
Die Zündschnur zischt, man wartet gespannt auf die
Explosion. Feuerwerke, die Blumen aus Feuer, entreißen Menschen aus ihrem
Alltag und faszinieren sie seit Jahrhunderten. Woher kommt diese Euphorie?
Das Spiel mit dem Feuer begann vor 1200 Jahren, als die
Chinesen das Schwarzpulver erfanden. Der Lärm sollte böse Geister vertreiben. Die
Germanen begrüßten das neue Jahr mit Rasseln und Peitschen und entwickelten die
Tradition, die Nacht zu erleuchten. Erst im Barock dienten Feuerwerke
schließlich der Unterhaltung. Könige und Fürsten nutzten es als Statussymbol,
zur Schaustellung von Macht und Reichtum.
Die normale Bevölkerung erlangte Ende des 19. Jahrhunderts
Zugang zum Feuerwerk und es entwickelte sich zum Massenprodukt. Heutzutage ist
das Feuerwerk besonders zum Jahreswechsel nicht wegzudenken.
Anpassung?
Feuerwerk ist keine Erfindung der Neuzeit.
Können Vögel sich an das Zischen, Knallen und Pfeifen von Feuerwerkskörpern gewöhnen?
Ohrenbetäubend
Feuerwerk begeistert Menschen: Es knallt, es
blitzt und lässt den ein oder anderen aufschrecken. Vögel hingegen nehmen das Spektakel als störend wahr. Die lauten
Knalleffekte wecken die Vögel und
versetzen sie in Aufregung. Dabei hören sie das Feuerwerk nicht nur, sondern
sehen es auch.
„Wir wissen, dass die Vögel durch die gewitterartigen
Lichteffekte durchaus beeinflusst werden. Das scheint die Vögel extrem zu
beunruhigen, besonders in Situationen, wenn das Licht reflektiert wird. Dort hat Feuerwerk eine doppelte
Wirkung“, erklärt Stefan Bosch.
Die Sinne der Tiere nehmen nicht nur den Lärm
und das Licht auf, sondern auch den Druck, der durch Explosionen und Knalle
ausgelöst wird. Die Vögel haben im Innenohr ein spezielles Organ, mit dem sie
diese feinen Druckschwankungen wahrnehmen können. Bosch ist sich dabei
allerdings nicht sicher, denn das Organ sei zu wenig erforscht. Eines stehe
jedoch fest: Feuerwerk beeinflusse die Tiere. Welche Folgen das
mit sich bringt, das sei je nach Vogelart anders.
Stefan Bosch beschreibt die negativen Auswirkungen, die Feuerwerk auf Vögel haben kann.
Von Sinnen
Lärm an jeder Ecke
Wie unterschiedlich Laute sich für das Ohr anfühlen? Hier
sind ein paar Vergleiche:
30 Dezibel: Flüstern
50 Dezibel: Vogelgezwitscher
75 Dezibel: Verkehrslärm
90 Dezibel: Lastwagen
110 Dezibel: Motorsäge
120 Dezibel: Gewitterdonner
140 Dezibel: Flugzeugstart
110-150 Dezibel: Feuerwerk
Letztendlich kommt es darauf an, welcher Abstand zur Geräuschkulisse besteht,
denn die Werte werden immer aus unmittelbarer Nähe gemessen.
Das, was bleibt
Nach dem Jahreswechsel sind Überbleibsel von Raketen, Böllern und Fontänen nicht zu übersehen. Ein professionelles Feuerwerk hinterlässt hingegen weniger Spuren in der Umwelt: Pyrotechniker benutzen wiederverwendbare Mörser, die Müll reduzieren. Tony versucht außerdem, Verpackungen aus Papier oder Plastik vor der Explosion zu entfernen.
Vor und nach der Explosion
Zünden mit Rücksicht
Der Genuss am Feuerwerk und die Achtung des Umfelds müssen
sich nicht zwangsläufig widersprechen. Wer das neue Jahr auch weiterhin
farbenfroh begrüßen will, oder über das Jahr hinweg Feuerwerk genießen möchte,
kann einen bewussteren Umgang mit den Feuerwerkskörpern beherzigen.
Die Meidung von tierreichen Gebieten wie Wälder, Flüsse und Seen wäre ein
erster wichtiger Anfang. Auch die Brutzeit von Vögeln und anderen Tieren kann
mehr berücksichtigt werden.
Dadurch würde man Vögel und die restliche Natur
entlasten.
Eine Multimediareportage von:
Anna Germek
– erfreut die anderen mit "Feuerwerk" von Wincent Weiss
Charlotte Muziol
– kann exakt 119 Dezibel laut schreien
Lea Dillmann
– hat immer die passende Atmo parat
Luisa Bleich
–
fährt zum Drehort gerne querfeldein
Luisa Jilg
–
filmt jetzt nur noch mit Stativ
Mira Biehler
–
photoshopt sich die Seele aus dem Leib
Sophie Mineif
– hat ein Herz für Vogelohren
Tobias Bachmann
– macht am liebsten Home Office im Kinderzimmer
Mit besonderem Dank an:
Tony Zeccola
Dr. Stefan Bosch